Das geknickte Rohr wird er nicht zerbrechen und den glimmenden Docht wird er nicht auslöschen.“ Jesaja 42,3
Liebe Leserinnen und Leser,
Urlaub ist schön. Raus aus dem Alltag, dem Trott, dem, was mich einengt. Raus und die erwachsenen Kinder treffen. Ein paar Tage mit dem Enkel verbringen. Es tut gut, mal nicht auf die Nachrichten aus aller Welt und unserem Land zu achten oder Mails zu beantworten. Gut dran ist, wer sich in diesem Jahr ein paar Tage eine andere Luft um die Nase wehen lassen kann.
Aber einfach abschütteln lassen sich die Nachrichten und Krisen dieser Welt dann doch nicht. Die Schlagzeilen der Zeitungen, die Nachrichten im Fernsehen oder im Radio holen mich ein: Ich sehe die Not und Todesangst der Menschen in Afghanistan, die darauf vertraut haben, dass wir „im Westen“ Wort halten und ihnen beistehen auf dem Weg in ein freiheitliches Leben. Ich lese von der Verzweiflung der Menschen in den Hochwassergebieten in unserem Land, die Angehörige verloren haben und vor dem wirtschaftlichen Ruin stehen. Der Aufbau wird Jahre dauern. Ich erlebe, wie zur Mitte der Ferienzeit die Lehrerinnen und Schüler schon mit Sorge auf das neue Schuljahr schauen, weil immer noch unklar ist, wie Schule gehen kann, wenn sich Corona wieder stärker verbreitet. Mit Blick auf die Bundestagswahl im September lese, sehe und höre ich überall nur von Schuldzuweisungen, Unterstellungen, Besserwisserei, Aufeinander-mit-Fingern-zeigen, Rücktrittsforderungen und vermeintlicher Unwissenheit. Und dann ertappe auch ich mich dabei, dass ich eine schnell fertige Meinungen habe, dass ich, in welchen Meinungs-Chor auch immer, mit einstimme und dabei die eigentlich Betroffenen vergesse.
Über den morgigen Sonntag steht ein Spruch aus dem Propheten Jesaja. Er will mich auf der Erde verankern. Er ist Zusage und Aufgabe von Gott an die Menschen, die sich mit ihm auf den Weg machen und an seiner Welt bauen. Er gilt auch für mich: „Er wird nicht schreien noch rufen, und seine Stimme wird man nicht hören auf den Gassen. Das geknickte Rohr wird er nicht zerbrechen und den glimmenden Docht wird er nicht auslöschen.“ (Jesaja 42, 2+3) Vielleicht gelingt es uns ja miteinander den Geknickten zu helfen und die glimmenden Feuer in uns wieder zu entfachen für ein Leben miteinander, das alle mit einschließt.
Einen gesegneten Sonntag und eine gute Woche wünscht ihnen Michael Schlauraff, Pfarrer im Bereich Bibra.