Geburtstagskind

Eines muss ich zuerst zu dem Mann sagen, dessen Geburtstag wir am Sonntag feiern: Als Gast hätte ich ihn nicht unbedingt gerne im Haus: Wir schätzen gute Küche und er würde nach Heuschrecken verlangen. Wir sind höfliche, freundliche Gäste gewohnt und er würde mit seiner polternden, lauten Art die Kinder erschrecken. Zudem hat meine Frau eine Tierhaarallergie und er würde im Kamelpelz kommen – die Fusseln bekommt man ja nicht mehr aus den Polstern.
 

Aber dieser Mann ist sowieso nicht geneigt, Leute zu besuchen. Wer ihn sehen und hören will, muss sich in die Einöde, die unwirtliche Wüste begeben, wo sich schon ein schmales Rinnsal Fluss nennen darf. Und dann bekommt man nicht etwa erbauliche Vorträge über Gott und die Welt zu hören, sondern Straf- und Mahnpredigten: Ändert euch radikal! Säubert euer Leben! Immerhin bietet der Mann eine symbolische Handlung an, die seine Botschaft am ganzen Leib der Hörenden illustriert: Er taucht alle, die es wollen, in das Wasser des Flusses; ein Reinigungsbad.

Sein Geburtstag ist der einzige, den die Kirche feiert, mit einer Ausnahme: genau ein halbes Jahr später ist Heiligabend.
Ihm, dem Messias, Jesus, hat dieser Mann den Weg gebahnt, die Menschen auf sein Wirken vorbereitet. So war es ihm bestimmt, schon im Mutterleib. Ihm brauchen wir die Türen nicht öffnen, sein Wirken ist zu Ende. Aber wenn wir Jesus in unser Leben lassen, ist er doch irgendwie mit dabei: unser Geburtstagskind Johannes der Täufer.
 

Pfarrer Stefan Kunze, Wasungen