Wenn Wahrheit trennt statt zu verbinden
„Jeder soll nach seiner Wahrheit leben.“ Haben Sie diesen oder einen ähnlichen Satz schon mal gehört? Was wir damit ausdrücken wollen, ist etwas Gutes: Wir wollen einander nicht unsere Sicht der Dinge aufzwängen. Wir wollen dem Anderen Raum für seine Sicht geben. Dennoch birgt der Gegensatz „meine Wahrheit – deine Wahrheit“ zwei Probleme.
Zum einen ist das Wort „Wahrheit“ ganz schön groß. Die Wahrheit (auch wenn es nur meine eigene ist) kann eigentlich niemand mehr korrigieren oder verbessern. Sie ist absolut. Wir machen es uns mit diesem Wort sehr schwer, einander zu ausgewogenerer Sicht und echter Toleranz zu helfen. Ich für meinen Teil bin sehr dankbar, wenn Menschen mir noch hilfreiche Kritik geben können. Ich finde es gut, wenn ich nicht so sehr von meiner Wahrheit überzeugt bin, dass ich gar keine Rückfragen mehr hören will.
Das andere Problem: Wenn jeder seine eigene Wahrheit hat, wird das, was uns eigentlich verbinden könnte, zu etwas Trennendem. Vielleicht würde es uns allen gut tun, das große Wort „Wahrheit“ etwas weniger einzusetzen und wieder zu einem fast vergessenen Wort zurückzukehren: „Meinung“ – „meine Meinung – deine Meinung“. Über Meinungen kann man ins Gespräch kommen. Meinungen können sich leichter verändern oder einander annähern als Wahrheiten. Vielleicht finden wir im Reden sogar heraus, dass wir gar nicht so unterschiedliche Dinge wollen.
Als Christ glaube ich, dass Gott jeden Menschen einzigartig und wertvoll geschaffen hat, dass alle Menschen – auch Sie – ihm so unendlich wertvoll sind! Sogar wertvoller als sein eigenes Leben. Das wäre eine Wahrheit, die uns verbindet: Ich will versuchen, dich höher zu achten als mich – gerade da, wo du nicht meiner Meinung bist. So handhabt es jedenfalls Gott. Dazu wünsche ich Ihnen Seinen Segen! Dazu gibt Er ihn auch von Herzen!
Ihr Thomas Kahlberg, Pastor der Christusgemeinde Meiningen