Zeitgeist: Zeit ist Geld
Da hat man gute Freunde, aber der Terminkalender steht zwischen uns. Auch Familientreffen leiden unter dieser Krankheit – leider keine Zeit. Unsere Kleinen haben ja schon einen Terminplan und Rentner – aber das wissen ja alle: Rentner haben nie Zeit.
Wenn man aber mal fragte, was sich eine(r) wünscht, dann käme oft: Ich möchte mehr Zeit haben für meine Familie oder für meine Freunde. Das Schöne, was ich will, kann ich einfach nicht tun.
Letztens hörte ich den Satz: „Der Terminkalender ist die Peitsche in der Sklaverei der modernen Zeit.“ Das ist vielleicht doch ein wenig hart. Aber wieso klagen auch die über Zeitnot, deren Terminkalender im Wesentlichen die Geburtstage der Angehörigen zeigt? Stimmt etwa die Beobachtung eines Afrikaners: “Ihr Weißen habt die Uhr, aber wir haben Zeit.“
Wer ist denn da reich und wer arm? Was ist da anders? Ein jeder sorgt zwar dafür, dass es immer etwas zu tun gibt. Aber planen Sie auch Entspannungszeiten für sich ein? Mal eine Stunde – nein, nicht schon wieder wegfahren oder etwas besichtigen, sondern – nichts tun, auch nicht fernsehen! Nur da sein. Oder eben: Zeit für Freunde haben. Wobei: Zeit hat man nicht – Zeit muss man sich nehmen. Ein sehr weises Wort.
Es ist nicht gut, wenn ich nicht der Herr meines Kalenders bin, sondern er über mich regiert! Zum Beispiel wenn ich jemanden treffe, für den ich eigentlich Zeit haben möchte, dann gebe ich mir einen Ruck, werde ganz ruhig und nehme mir die Zeit. Allerdings muss ich in Kauf nehmen, dass die Anderen mir sagen: „Jetzt kommst du schon wieder zu spät.“
Wie man es macht, man macht was falsch – aber was ich gewiss nicht sein will: ein Sklave der Zeit.
Pfarrer Gerhard Richter, Bibra