Ankunftszeit

„Der Zug nach Erfurt verspätet sich in seiner Ankunft um eine unbekannte Zeit“. Die Legende von der deutschen Pünktlichkeit widerlegen unsere Bahnunternehmen in diesem Jahr wieder einmal eindrucksvoll (Stichwort erste Schneeflocke), aber so eine unbestimmte Ansage haben sich weder Reichsbahn noch Deutsche Bahn, nicht einmal die Südthüringen Bahn wohl je geleistet: manchmal bekommt einfach überhaupt keine Auskunft. Aber was wäre, wenn? Wie reagierte man als erwartungsvoll im Aufbruch Befindlicher auf eine solche Nachricht? Man kann stehenbleiben und warten: nach dieser Ansage könnte der Zug jederzeit kommen. Oder aber man richtet sich ein: Man schaut ab und zu auf dem zugigen Bahnsteig nach und richtet sich aber erst einmal in einer entfernteren, aber gemütlichen Ecke ein. Oder aber man gibt auf und geht nach Hause, weil man glaubt, dass hier nichts mehr passiert.

Mit der Adventszeit scheint das sehr viel einfacher zu sein: Sie ist genau bemessen – auch wenn in diesem Jahr sehr kurz. Weihnachten kann sich schließlich nicht verspäten. Advent, Ankunft – worauf warten wir in der nun beginnenden Zeit? Wer sagen kann, worauf er sich zu Weihnachten freut oder was er befürchtet, der weiß viel über sein eigenes Leben. Denn so wie Advent für Erwarten steht, so steht Weihnachten für Erfüllung.

Gott kommt nicht nur einmal im Jahr zu uns, er rührt uns nicht nur zu bestimmten Zeiten ans Herz. Er ist nahe, zu jeder Zeit. Aber wir brauchen Zeiten, die wir uns nehmen. So kann Wartezeit etwas sehr Wertvolles werden, Zeit, um darüber zu sinnen: Woher komme ich, wohin will ich?

Solche Zeiten öffnen das Herz und auch den Verstand. In die Lücke zwischen Ankündigung und Erfüllung strömen neue Einsichten, Ideen, Erinnerungen und Hoffnungen.

Die aktuelle Ansage kann nicht konkreter sein: Hören Sie nicht auf zu warten!

Ich wünsche Ihnen eine gesegnete Adventszeit. Pfarrer Stefan Kunze