Der Riss im Herzen der Menschen
Liebe Leserinnen und Leser,
Inge und Klaus haben sich gefunden. Neuer Frühling, wie man sagt. Beide haben ihre Ehepartner zu Grabe getragen und verliebten sich doch neu. Ein Wunder, sich so zu finden. Und ganz konnten sie es am Anfang auch nicht glauben, dass ihnen das noch einmal passiert. Neu verlieben - in dem Alter, haben sie gedacht. Schließlich haben sie es doch geglaubt und freuen sich, gemeinsam mit ihren Familien, übereinander und aneinander. Unterstützen sich gegenseitig. Wenn der Eine mal ins Krankenhaus muss, ist die Andere an seiner Seite.
Sie sind sogar gemeinsam in eine Stadt gezogen. Aber, jeder hat seine Wohnung. Das muss sein. Die meiste Zeit sind sie aber beieinander. Mit den Enkeln, im Theater, spazieren oder in ihrem Garten. Ein kleiner Schrebergarten. Den gibt es schon lange und beide genießen die Ruhe und ihr Werkeln. Klaus, der Landwirt. Und Inge, die Blumenliebhaberin. Der eine, der gräbt und weiß, wie man düngt. Die Andere, die gute Ideen hat und ein Gefühl für Form und Farbe. Und dann sitzen beide, betrachten ihr Werk und freuen sich.
Dann passiert, was nicht passieren soll. Niemand hätte sich das vorstellen können. Ihr Gartenhäuschen wird angezündet. Feuerwehr und Polizei. Brandstiftung. Alles brennt nieder. Klaus und Inge stehen vor den Trümmern. Zutiefst erschüttert und verletzt. Als hätte ihnen jemand ein Stück von ihnen selbst genommen.
Schwer fällt es aufzuräumen und zu entscheiden: Bauen wir es noch einmal auf?
Es braucht lange, bis sie gemeinsam sagen: Wir räumen auf und ab und nach diesem Sommer geben wir den Garten weiter. Wir können es nicht ertragen, hier weiter zu sein. Selbst wenn die Familie uns beim Herrichten hilft, wir können uns das nicht vorstellen, dass wir es wieder genießen werden.
So sitzen sie, im Sommer, die letzten Tage in ihrem Garten. Die Trümmer sind weg, das Verbrannte an den Bäumen ist abgeschnitten. Ein neuer Pächter ist gefunden, und sie nehmen langsam Abschied. Der Riss in ihrem Herzen wird noch lange bleiben. Selbst wenn der neue Pächter schon das dritte Mal Erdbeeren geerntet hat.
Brandstiftung hat viele Formen - auch in Worten und in Gedanken. Ich muss das nicht weiter ausführen, denn Sie wissen, was ich meine. So unterschiedlich die Formen sind, das Ergebnis bleibt doch das Gleiche. Der Riss im Herzen der Menschen - die Trümmer der Normalität des Lebens. Passen wir aufeinander auf.
Ihre Pfarrerin Birgit Molin