Lastenträger

Liebe Leserinnen und Leser,

es war nur ein Film. Er erhielt nach der Veröffentlichung 1988 das staatliche Prädikat „Besonders wertvoll“. Weitere Auszeichnungen auf verschiedenen internationalen Filmfestivals folgten. 1,2 Millionen Zuschauer waren in den Kinos. Ein Publikumserfolg am Ende der DDR: Zwei junge Männer müssen 1950 ins Lungensanatorium auf Schloß Hohenfels. Josef Heiliger, Kommunist und Kommissar der Volkspolizei und Hubertus Koschenz, evangelischer Vikar, der sich auf den Pfarrberuf vorbereitet. Beide müssen sich ein Krankenzimmer teilen. Da bleibt ihnen nichts anderes übrig. Beide vertreten ihre Sicht auf die Welt. Harte Diskussionen, Schweigen, gegenseitiges Belauern und Mißtrauen. Körperlich können sich die beiden nicht aus dem Weg gehen. Der Zustand von Hubertus bessert sich. Josefs Leben hängt am seidenen Faden. Hubertus bekommt über kirchliche Netze Medikamente aus dem Westen. Josef bleibt nur Hundeschmalz. Ohne dessen Wissen gibt Hubertus die Medikamente an Josef weiter. Beide bleiben am Leben. An Ende des Films treffen sie sich am Grab von Sonja, Josefs Liebe aus dem Sanatorium. Sie hatte es nicht geschafft. Zwei Menschen mit Weltsichten, die damals kaum unterschiedlicher sein konnten, begegnen sich im Laufe des Films auf Augenhöhe. 

Wie gut würde es uns heute tun, wenn wir uns trotz unterschiedlicher Ansichten, Meinungen und Gedanken in die Augen schauen würden, die Augen auf gleicher Höhe mit erhobenem Kopf. Ich denke, dann wäre weniger Hass und Streit, weniger Verachtung und Wegdrehen, weniger: ...das hat ja eh keinen Zweck ...!“ Dann wären wir wieder mehr Mensch neben Menschen, die sich gegenseitig tragen und unterstützen könnten. Die Lasten wären verteilter, gerade jetzt.

Die erste Idee zum Film hatte Wolfgang Held schon 1973 unter dem Arbeitstitel „...und jeder trage des anderen Last.“ Der Bibelspruch, auf den sich der Filmtitel bezieht, steht im Galaterbrief: „Einer trage des anderen Last, so werdet ihr dass Gesetz Christi erfüllen.“ Für mich gilt dieses Tragen und Teilen nicht nur unter Christen. Es ist eine zutiefst menschliche Grundlage des Zusammenlebens. Es war 1988 schon mehr als nur ein Film: „Einer trage des anderen Last“.

Ein gesegnetes Wochenende wünscht Pfarrer Michael Schlauraff.