Gott widersteht den Hochmütigen,aber den Demütigen gibt er Gnade. 1. Petr. 5,5b
So habe ich das als Kind gelernt: Man macht einen Diener, wenn man Erwachsene grüßt. Die Mädchen natürlich einen Knicks. So war das. Ein Überbleibsel aus vergangenen Zeiten. Eine uralte Geste der Unterwerfung, einer Zeit also, in der es Obrigkeiten und Untertanen gab. Unserem Herzog Georg II. wird nachgesagt, und der war eine Obrigkeit, dass er unterwürfig gegrüßt werden wollte, wenn er durch den Park spazierte. Das ist heute anders geworden . Heute genügt: ein Guten Tag, oder auch nur Hallo, oder, wie in Bayern, ein Grüß Gott, ganz gleich zum wem auch immer. Und das ist auch gut so. Der Bürgermeister muss heutzutage nicht anders gegrüßt werden als der Kleingärtner von nebenan. Und auf die Knie muss vor einer Obrigkeit schon überhaupt keiner mehr fallen.
Als 1970 Willy Brand in Warschau auf die Knie ging, war das eben etwas ganz anderes. Es war nicht eine Geste der Unterwerfung. Es war Demut. Demut angesichts dessen, dass Deutschland sich 12 Jahre zu einer Herrenrasse aufgespielt hatte. Gewiss: Dieses Denken begann viel früher. „Der Gott der Eisen wachsen lies, der wollte keine Knechte“ So dichtete Ernst Moritz Arndt in den Befreiungskriegen. Es ging damals um die Freiheit von napoleonischer Unterdrückung. Es ging um Gleichheit und Brüderlichkeit und eben auch Freiheit. Unsere Urgroßeltern müssen dies irgendwie missverstanden haben. Schlimmer, sie haben später selbsternannten Führern vertraut und sich untergeordnet. Wir haben keine Fürsten mehr, auch keinen Führer. Aber dass wir immer noch gern unterscheiden: „Der steht über mir, das ist mein Untergebener“ - das ist geblieben. Um so nötiger, allen Hochmut abzulegen und demütig zu sein oder wenigstens respektvoll miteinander umzugehen.
Michael Wagner, Pfr. i. R., Meiningen