Tür auf fürs Leben
Es beginnt im Treppenhaus in einem großen Mehrfamilienhaus. Die Wohnungstür im zweiten Stock steht weit offen.
Laut hört man das Pingpong eines Balles. Hinter der offenen Tür verbirgt sich eine gemütliche und mit vielen Büchern gefüllte Wohnung. Vor einem gigantischen Bücherregal spielen zwei ältere Herren Tischtennis auf dem Wohnzimmertisch. Die Lampe über ihnen schwankt etwas. Es knistert.
Die Glühbirne verlischt. „Die hat lange gehalten!“, sagt einer der beiden. Und während die beiden die Glühbirne wechseln, sieht man Szenen aus ihrem Leben als gute Freunde, die Tür an Tür wohnen. Wie sie in Freude und Leid zusammen halten, das erste Kind des einen bestaunen und den Kummer des anderen aushalten. Ein Leben Tür an Tür.
Die Bilder gehen zurück bis zu ihrer ersten gemeinsamen Geschichte: als einer der beiden in das Haus einzieht. Im Dunkel des Zimmers packt er seine Umzugkartons aus. Alles ist da, nur keine Glühbirne. Zaghaft sieht man ihn vor der Tür gegenüber stehen. Die Hand zum Klopfen erhoben. Das Gefühl von Aufregung und Verletzlichkeit ist zu spüren, als er vorsichtig anklopft.
Wer wohnt hinter dieser Tür? Wird er öffnen? Und wird er ihm eine Glühbirne ausleihen?
Dieses Klopfen aber wird der Beginn einer großartigen Freundschaft. Gemeinsam schrauben sie die erste Glühbirne rein und man sieht die beiden Männer wieder als grauhaarige Senioren, immer noch auf dem Wohnzimmertisch Tischtennis spielen.
„Tür auf fürs Leben.“ - heißt der Werbespot eines großen Einrichtungshauses, der derzeit in vielen Wohnzimmern über den Fernseher flimmert. Im Internet bekam dieser Spot massenweise positive Rückmeldungen.
Viele Menschen schrieben, dass ihnen dabei die Tränen kamen. Was hier gezeigt wird, ist so etwas wie ein Gleichnis über Freundschaft. Einer hat eine Not. Er wagt sich zu dem anderen. Er spricht ihn an. Er klopft.
Und er wird nicht abgewiesen. Im Gegenteil. Er erfährt Zuwendung, Aufmerksamkeit und Hilfe.
Aus diesem mutigen Klopfen des einen und dem mutigen Auftun des anderen wird eine wunderbare Freundschaft.
Auf solche Bilder von geschlossenen und geöffneten Türen, von Offen- oder Ausgeschlossensein, reagieren wir in diesen Tagen besonders sensibel.
Abgewiesen werden - das kennst Du. Es tut weh. Es enttäuscht. Es macht sogar manchmal mutlos und einsam. Und umgekehrt blüht Dein Herz da auf, wo jemand Dich akzeptiert, für Dich da ist, seine Tür öffnet. „Meine Tür ist immer für Dich offen.“, ist ein wohltuender Spruch für jemand, der so eine Tür gerade braucht.
Der Bibelspruch des Jahres 2022 heißt: „Wer zu mir kommt, den werde ich nicht abweisen“. Er meint, dass die Tür zu Gottes Trost und Kraft immer offen ist. Dass es niemanden gäbe, den Gott abweisen würde. Zu keiner Zeit.
Dass Gott nicht sortiert zwischen denen, die dazu gehören und denen, die nicht dazu gehören.
Die Bibel ist in diesem und vielen Fällen als eine Art Same zu verstehen oder als Sauerteig. Sie braucht Menschen, die diese Worte Gottes leben. Darum möchte ich diesen Spruch gerne als Leitspruch für mein Jahr 2022 mitnehmen.
Er erinnert mich an das Herz der Menschlichkeit und unseres Miteinanders: einander nicht abweisen. Sondern die Tür weit aufmachen fürs Leben. Füreinander. Sowohl im Privaten als auch im Gesellschaftlichen haben wir die Macht, Türen zu öffnen oder sie zu zu lassen. Ich persönlich darf Mut haben, anzuklopfen, wenn ich es selber brauche. Und ich darf Mut haben die Tür für jemanden zu öffnen, weil ich auch das brauche.
Stell Dir das kommende Jahr vor als eines, das offene Türen für Dich hat und in dem Du Türen öffnest. So geht es sich ganz anders hinein in neue Zeiten.
Gottes Segen begleite Dich im Neuen Jahr! Wünscht Pfarrerin Bettina Schlauraff