Wie es sich anfühlt, jung zu sein
Spontan zu sein und dem Raum geben, was zufällig passieren will. Die eigenen ersten Pläne schmieden und wagemutig umsetzen, in der Hoffnung, dass sie funktionieren. Jung zu sein, das heißt doch reisen, feiern, auf fremde Menschen zugehen können. Neue Anfänge und Verabschiedungen gehören dazu. Partys feiern und tanzen, Theater spielen, die Nacht durchmachen. Doch all das steht jetzt unter Verdacht oder ist sowieso schon verboten – wäre mit Nähe und Grenzüberschreitung verbunden.
Den Ernst der Lage haben wir voll vor Augen. Wir leben darin und wissen, dass wir Rücksicht nehmen müssen und dass wir den anderen, vor allem den älteren Mitgliedern in unserer Gesellschaft schaden, wenn wir das tun, was junge Leute gerne tun: sich frei bewegen. Die Leichtigkeit des Seins fühlt sich anders an. Auch wir kennen Angst vor der Zukunft oder der Eindruck des Nichtgehört- und -gesehenwerdens. Uns treibt die Frage um: Wie können wir es schaffen, in den kommenden Monaten die Lebensfreude zu behalten?
Mit Technik und Internet wachsen wir auf. Ja, das Internet kann viel. Neue Beziehungen stiftet es eher nicht. Etwas sehr Entscheidendes fehlt dabei, was bei der körperlichen Begegnung im Raum viel leichter entsteht – das nicht Fassbare, das Überraschende im Gespräch, das Kreative beim Kochen, befreiendes Gelächter.
Auch der Semesterstart lief anders als erwartet. Keine Erstsemesterfete. Nur eine virtuelle Tour durch die Stadt. Die Familie als Lebensform ist signifikanter geworden. Mit all ihren Macken erscheint die eigene Familie auf einmal so viel attraktiver als das Leben ausschließlich im Studentenwohnheim, weil sie eine Grundversorgung an Wärme, Austausch und Abwechslung ermöglicht.
Vielleicht sagen wir im Rückblick irgendwann: Wir sind in dieser Zeit erwachsen geworden, weil wir die Generation unserer Eltern an ihrer Belastungsgrenze sahen. Wir leben im Vertrauen auf Gott und begegnen weiterhin einander mit Respekt. Lasst uns darauf achten, dass wir unsere Neugier und Lebenslust nicht verlieren.
Titus Böttcher, Bibra