Wo wohnt die Hoffnung?
Das mit den Weihnachtsbäumen ist Geschmackssache. Manche werden kurz nach Weihnachten abgeschmückt, andere sind nach dem Dreikönigstag dran. Auch in der zweiten und dritten Januarwoche sieht man noch vereinzelt die nadelnden Tannen und Fichten am Straßenrand liegen. Die wenigsten Weihnachtsbäume bleiben bis Lichtmess am 2. Februar in den Stuben. Die allerwenigsten noch länger.
Doch als Kind habe ich genau das einmal erlebt. Ich muss ungefähr 4 Jahre alt gewesen sein, als meine Eltern erfuhren, dass ich gleich nach den Weihnachtsfeiertagen für längere Zeit ins Krankenhaus muss. Natürlich war das ein Schock für meine Familie. Und natürlich war ich untröstlich. Allerdings, so wurde mir später erzählt, nicht weil ich von meinen Eltern getrennt sein würde; sie würden mich jeden Tag besuchen, das wusste ich genau. Mich als Kind machte vielmehr die Tatsache traurig, dass mein geliebter Weihnachtsbaum nicht mehr da ist, wenn ich wiederkomme. Da fassten meine Eltern einen Plan: Der Weihnachtsbaum sollte bis zu meiner Rückkehr stehen bleiben. Sie taten alles, um ihn frisch zu halten: wässern, die Stube kühlen, und später wurde der Baum sogar jeden Tag mit Haarspray eingesprüht. Bei jedem Besuch im Krankenhaus erzählten sie mir von meinem Baum und die Freude darüber war groß. Es war schließlich März, bis ich endlich wieder zu Hause war. Mein erster Weg führte mich in die Stube. Und da war er: mein Weihnachtsbaum! Kaum noch Nadeln, die Äste bogen sich unter dem Bleilametta und den Glaskugeln. Frisch war er nicht mehr. Aber er war da. Und mit ihm das Gefühl von Weihnachten. Dieser Baum transportierte damals für uns die Hoffnung von Weihnachten, die Hoffnung vom Kind in der Krippe, bis in den März.
Bis heute habe ich die Angewohnheit, etwas von Weihnachten stehen zu lassen. Auch wenn der Baum längst abgeschmückt ist und die Kisten mit der Deko wieder verstaut sind. Eine Kleinigkeit, ein hübscher Stern zum Beispiel oder eine Figur aus der Krippe, bleibt da und bekommt einen besonderen Platz in der Stube. Und ich stelle mir dann vor: Dort wohnt die Hoffnung. Mittendrin im Alltag. Und manchmal, wenn ich dorthin schaue, erlebe ich einen kleinen Weihnachtsmoment. Nicht viel länger als ein Augenzwinkern. Aber es reicht, damit sich das Gefühl von Weihnachten in meinem Herzen ausbreitet und die Hoffnung keimt.
Antje Habke, Hermannsfeld