13.07.2022
Ein Syrer und die Rettung des Genitivs

„Berührt – Lebensexperten kommen zu Wort“ ist eine Andachtsreihe in der Kirchenburg zu Walldorf. Bei jeder Andacht steht eine Person oder Personengruppe im Mittelpunkt. Es geht um Menschen, die mit ihren Gedanken zu ihrem (Berufs-) Alltag zu Wort kommen. Durch die Andachten führen Pfarrer Otfried Heinrich und Superintendentin Beate Marwede.

Am 8. Juli ging es um Menschen mit Migrationshintergrund. Ein musikalisches Feuerwerk arabischer Klänge erfüllte die Kirche. Osama Abdullah und Michael Thaldorf begeisterten die Anwesenden mit einer arabischen Knickhalslaute und einer arabischen Bechertrommel. Astrid und Markus Iwig berührten mit ihrer Version von Gerhard Schönes „Festmahl“.

Als Lebensexperte zu Gast war Louai Soudan, der 2015 aus seiner Heimatstadt Damaskus flüchtete. Er kam alleine, seine Eltern blieben in Syrien zurück. Louai ist ein offener Mensch, der auf andere zugeht. So hat er schnell Freunde gefunden. Freunde, die ihm „Raum gegeben haben zu erzählen“, wie er sagt. Zunächst auf Englisch, nach und nach auf Deutsch. Menschen, die Geduld mit ihm hatten, an ihm und seiner Geschichte interessiert waren, zugehört haben, geholfen haben beim Ankommen in einem fremden Land. „Kommunikation ist alles.“, meint Louai Soudan und berichtet auch von Missverständnissen. Menschen aus seinem Land kommunizieren oft mit Gesten, was hierzulande des Öfteren mit Aggressionen verwechselt wird. Auf die Frage, ob die Deutschkurse an der Volkshochschule geholfen hätten, antwortete er: „Bei der Grammatik schon, bei der Umgangssprache weniger. Ich habe die Vokabeln öffnen und schließen gelernt, aber aufmachen und zumachen habe ich nicht gelernt.“ Brücken bauen sei wichtig, nicht mit dem Finger zeigen, voneinander lernen, nicht nach dem Aussehen beurteilen.

Louai Soudan ist jetzt 32 Jahre alt, wohnt in Meiningen, studiert Wirtschaftswissenschaften in Schmalkalden, arbeitet im Import-Export-Bereich, spielt Theater und hat einen Sohn. Sein komplettes Leben hat sich geändert, aber jetzt fühlt er sich hier zu Hause.

Trotzdem gibt es Schwierigkeiten: Diskriminierung, Ausländerfeindlichkeit. Dinge, über die Louai Soudan an diesem Abend in dieser friedlichen Atmosphäre nicht sprechen möchte. So etwas nimmt er mit Humor und erzählt einen Witz: „Wenn Nazis sagen: Du bist nur hier wegen dem Geld, dann sage ich: Nein, ich bin hier wegen des Geldes.“ Dass ein Geflüchteter unseren schon verlorengeglaubten Genitiv zurückbringt, eine schöne Vorstellung!

Im Anschluss gab es anregende Gespräche und Leckereien vor der Kirche.

Die nächste Veranstaltung dieser Reihe findet am 9. September 2022 um 19 Uhr auf der Kirchenburg in Walldorf statt. Dann geht es um das Thema „Familie in Vielfalt/Alleinerziehende. Alle Interessierten sind herzlich eingeladen.

Dana Scholz, Fachkraft für Öffentlichkeitsarbeit und Fundraising im Kirchenkreis Meiningen


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Louai Soudan,  Foto Dana Scholz Osama Abdullah und Michael Thaldorf,  Foto Dana Scholz Superintendentin Beate Marwede im Gespräch mit Louai Soudan,  Foto Dana Scholz