Glaube und Heimweh
Schaffst du es noch, dem Bach zu lauschen
in seinem Flüstern, Plätschern, Rauschen?
Siehst du die Blüten an den Bäumen?
Weißt du, wovon die Kinder träumen?
Wonach sich wohl die Alten sehnen,
wenn sie aus ihren Fenstern lehnen?
Kennst du die Kranken in ihrer Not?
Weißt du vom Leben vor dem Tod?
Siehst du die Mütter glücklich liegen,
wenn sie das neue Leben wiegen?
Ahnst du, woher und wohin wir gehen,
wenn in den Zweigen die Winde wehen?
Kennst du die langen und tiefen Sorgen
vor all dem Gestern und Heute und Morgen?
Und hat sich schon mal die ganze Welt
mit dir am Horizont vermählt?
Kennst du der Morgensonne Pracht,
wenn sie die Reise zum Abend macht?
Und wenn sie dann im Dämmerlicht
von Wiederkehr und Heimweh spricht?
Weißt du, wie tief das Leben fällt,
wenn dich zur Nacht kein Schlaf mehr hält?
Kennst du Wärme und Kälte der Herzen,
und die Tapferkeit in den Schmerzen?
Hörst du die Meere schweigen und toben,
liebst du die einsamen Gipfel oben?
Suchst du noch einen Sinn in den Dingen,
dann bist du dabei, mit Gott zu ringen.
Denn Wasser, Sonne, Licht und Leben
sind dem Menschen nur gegeben.
Such' also mitten im Zauber der Welt
Gottes Hand, die schafft und erhält!
Seine Nähe zu den Dingen,
zu all dem Seufzen und dem Singen,
zu all der Freude und der Not,
sein Trost im Leben und im Tod.
Lass dir dein Staunen niemals rauben,
dann schaffst du es schon mit deinem Glauben,
und hältst es auch in Hof und Haus
bei deinen vielen Zweifeln aus.
Glaub' mir, all' die Lacher und Spötter
haben ihre eigenen Götter,
und bleibt ihnen nichts, das man anbeten kann,
dann beten sie eben sich selber an.
Du aber, in Sonne, Regen und Wind,
bist ein geliebtes Gotteskind,
bist ein Wanderer durch die Zeit
und weißt: Mein Gott ist gar nicht so weit.
Ist mein Beistand in Not und Glück
und bringt mich am Ende nach Hause zurück.
Weil Glaube, egal, wo du grad bist,
im Grunde nichts andres als Heimweh ist.