Index für falsche Bücher?

Kennen Sie eigentlich noch den berühmten Index? Sicher doch – oder? Jenes Verzeichnis der von der katholischen Kirche verbotenen Bücher: „Index librorum prohibitorum“, so sein korrekter Name. Eingerichtet von der Heiligen Inquisition im Jahre 1559. Abgeschafft 1966 nach dem letzten Konsil. Gehört zu den Top Ten der Kritiker der katholischen Kirche, vor allem ihrer sogenannten „dunklen Vergangenheit“.

Aber wussten Sie eigentlich, warum man sich nach gut 400 Jahren dann doch von dieser Einrichtung getrennt hat? Nein, nicht die Niederlage gegenüber aufgeklärtem Denken führte dazu, sondern schlicht und ergreifend Personalmangel. Eine schlanke vatikanische Verwaltung war der Fülle des Materials einfach nicht mehr gewachsen.

Gut also, dass es so was heute nicht mehr gibt – oder? Natürlich ist es nicht deckungsgleich mit dem entsorgten Kirchen-Index, wenn heutzutage in Zeitungsreaktionen und sonst ein bisschen aussortiert wird.

Allerdings bei der BPjM, der Bundesprüfstellejugendgefährdender Medien erinnert schon bei der Aufgabenstellung einiges an den verworfenen Vetter von anno dazumal, wenn da von einer „Indizierung jugendgefährdender Medien“ die Rede ist, die in bestimmte Listen einzutragen sind. Aber vielleicht ergeht es dieser modernen Index-Stelle ja wie ihrer Verwandten 1966: Schließung wegen Materialüberflutung. Zu bedauern wäre es nicht.

Doch wie nun weiter? Mein Vorschlag: Einen persönlichen Index nicht der verbotenen, sondern der falschen Bücher. Aus Sorge etwas zu verbieten, wie es der alte Index wollte, funktioniert nicht mehr. Aber das heißt doch nicht, sich keine Rechenschaft mehr zu geben über das, was man so in sich reinzieht. Denn das ist dann nämlich in uns drin und verändert uns.

Vielleicht sind viele unserer Zeitgenossen ja gar nicht richtig böse, sondern nur ein bisschen verwirrt, haben nur eben die falschen Bücher gelesen. Und das immerfort. Nicht erst seit vorletzter Woche wissen wir ja nun auch, dass weder das Alter noch der Literaturnobelpreis vor schlimmen Torheiten bewahren. In die Hände welcher Bücher wir gefallen sind, das ist unser Schicksal. Das gilt im Guten wie auch im Schlechten.

Es mag einem ja durchaus recht wohlige Gefühle bereiten, wenn man nur das liest, was einem schmeckt, was einen bestätigt und was man schon immer gewusst hat in Bezug auf die Politik und Kirche, wo angeblich alles nur korrupt und reformbedürftig sei. Um allerdings den Durchblick nicht völlig zu verlieren, vor allem aber um zu einigermaßen sachgerechten Entscheidungen zu gelangen, die die nächste und vielleicht auch noch die übernächste Woche überstehen sollen, reicht das natürlich nicht.

Man braucht ja seinen Lieblingsgedankenspendern nicht gleich völlig abzuschwören, doch gezielt das allzu kuschelige Gedankennest hin und wieder zu verlassen, ist die unerlässliche Bedingung dafür, im Diskurs unserer Tage noch ein wenig ernst genommen zu werden.

Übrigens – und nicht nur weil der kleine Beitrag hier zu Ende ist – bei der frommen und regelmäßigen Lektüre der Bibel kann man so gut wie nichts falsch machen.
 

Pfarrer Wolfgang Hunold, röm.-kath. KG Meiningen