Novemberstimmung

Wenn ich aus dem Fenster schaue, kann ich zusehen, wie die Birke vor dem Pfarrhaus ihre letzten Blätter verliert. Traurig sieht sie aus ohne Blätter.
Traurig ist es vielen Menschen auch ums Herz, Novemberstimmung. Wir sind jetzt offener als sonst für ein Thema, das wir oft am liebsten ausblenden würden: den Themenkreis von Tod und Sterben.

Am Sonntag begehen die evangelischen Christen den Totensonntag. Viele gehen in die Kirche, besonders die, die in diesem Jahr einen Angehörigen beerdigen mussten. Sie sind in den letzten Tagen auf dem Friedhof gewesen und haben die Gräber zurechtgemacht für den Winter. Nun kann der Schnee kommen.

Aber es geht ja nicht um den Schnee. Es ist ein Versuch, sich mit dem Tod auseinanderzusetzen. Es ist eine Möglichkeit, noch einmal die Liebe zu zeigen, die ich für den Toten empfinde. Und mit ihm zu reden.

Ich stehe am Grab und rede mit ihm, der da begraben liegt. Ich weine, weil ich „es“ noch nicht fassen will. Ich schimpfe mit ihm, weil er mich allein gelassen hat. Oder lache still in mich hinein, weil ich mich an etwas Lustiges erinnere, das wir noch miteinander erlebt haben.

Für viele Menschen ist deshalb die Pflege eines Grabes Auseinandersetzung mit dem Tod und eine Möglichkeit, den Toten allmählich ziehen zu lassen.
Auch die Grabsteine, die wir aufstellen, sind eine Form der Trauerarbeit.

Grabsteine sind Erinnerungszeichen: Wir wollen dich nicht vergessen! Du gehörst weiter zu uns, auch wenn du tot bist. Wir lesen den Namen des Toten, Beginn und Ende seiner Lebensspanne. Der Friedhof ist das steinerne Gedächtnis unseres Ortes.

Sterben ist sicher das Schwerste, was wir im Leben bewältigen müssen. Den meisten Menschen graut davor. Wir müssen uns aber damit auseinandersetzen. Es ist sehr gut, dass die ARD mit der Themenwoche „Leben mit dem Tod“ dieses wichtige Thema mitten ins Leben geholt hat. Man konnte viel erfahren über Sternenkinder, Sterbehilfe, Suizid, Hospize, Trauer u.v.m. Und immer wieder führte das Nachdenken über diese Themen zu der Frage nach Gott.

Für uns Christen ist Gott kein Gott des Todes, sondern des Lebens. Gott will die Traurigen trösten und den Verzweifelten wieder Hoffnung geben. Uns allen verspricht er neues Leben über den Tod hinaus. Gott vergisst keinen einzigen Menschen. Seine Liebe hält selbst dem Tod stand.

Die Birke vor dem Pfarrhaus wird im Frühling neue Blätter bekommen. Ich stelle mir vor, dass Gott so ähnlich auch uns neues Leben geben wird. Wie das sein wird, das kann ich nicht sagen. Wie das möglich sein kann, verstehe ich nicht. Aber ich glaub´s ihm.

Klaus Lemberg.